Ab wann darf mein Kind in den Kindergarten?
“Ach, so eine bist du?“
Der Weg in die Grundschule führt über eine Kindertagesstätte – zumindest bei der Mehrzahl aller Familien in Deutschland. Für Kinder unter 3 Jahren bieten Kinderkrippen eine Betreuungsmöglichkeit. Ab einem Alter von 2 oder 3 Jahren (je nach Bundesland) können die Kleinen dann in den Kindergarten wechseln. So weit, so klar geregelt.
Die schwierigste Frage müssen alle Eltern aber für sich selbst beantworten in Bezug auf Kindergarten oder Krippe: Ab wann lassen wir unser Kind dort betreuen? Mit wem man auch spricht, so unterschiedlich Eltern dieses Thema auch handhaben, eines zeigt sich immer wieder: das Gefühl, sich für die persönliche Entscheidung rechtfertigen zu müssen.
„Momentan wird keines meiner Kinder fremdbetreut, da ich die tolle Situation habe, selbstständig von zuhause aus zu arbeiten. Allerdings waren die großen 4 alle in Kitas, weil ich das für die soziale Entwicklung wichtig finde. Die Große ging zum Beispiel ab 2 Jahren, die anderen ab 3.“ Julia, 5 Kinder
Der Kita-Besuch ist ein Thema, zu dem alle eine Meinung zu haben scheinen. Eigentlich völlig legitim, wären da nicht die vorwurfsvollen Kommentare, die Mamas und Papas oft entgegenwehen. „Ach, so eine bist du?“ äußern sich Bekannte abschätzig, wenn Mama drei Jahre lang beim Kind zu Hause bleibt. „Warum hast du überhaupt ein Kind bekommen, wenn du eh‘ lieber arbeiten gehst?“ werden Eltern attackiert, die ihren Nachwuchs mit 6 Monaten anderweitig betreuen lassen.
Es scheint, als könne man nur die falsche Entscheidung treffen. Aber gibt es sie denn, die RICHTIGE Entscheidung? Ab wann darf, sollte, müsste ein Kind in die Kita gehen?
„Es spielen eben auch äußere Faktoren eine Rolle, bei denen Eltern keine Wahl haben. Wenn das Geld zum Beispiel fehlt oder man in der Zeit jemanden pflegt oder was auch immer. Man muss da einfach immer das Gesamtpaket sehen und kann es (nicht nur) vom passenden Alter abhängig machen …“ erzählt uns Julia, Mutter von 5 Kindern.
Das sagen Experten
Kita ab 6 Monaten? Oder lieber 3 Jahre zu Hause betreuen? Welchen Unterschied macht die Betreuungsform für die Entwicklung eines Kindes? Studien aus der Entwicklungspsychologie legen nahe, dass es etwa 18 Monate dauert, bis die Bindung eines Kindes an Mutter und Vater ausreichend aufgebaut und gefestigt ist. Je stärker diese Bindung wiederum, desto einfacher scheint der Eintritt in die Kita-Welt zu gelingen. Solche Ergebnisse sprechen zumindest nicht für einen Kita-Eintritt im ersten Lebensjahr.
Will jedoch nicht heißen, dass die Fremdbetreuung jüngerer Kinder prinzipiell scheitern muss. Viel hat sich getan in der Erzieher-Ausbildung. Viele Krippen und ihr Personal sind heute viel besser vorbereitet auf eine ganzheitliche, liebevolle Betreuung. Auch deshalb lassen sich durchaus positive Effekte finden, wenn ein Kind früh in einer Krippe betreut wird.
Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung konnte 2016 beispielsweise erkennen, dass Kinder in Schuleingangsuntersuchen besser abschnitten, wenn sie bereits vor dem 3. Geburtstag in einer Kindertagesstätte betreut wurden.
Es gibt ihn also scheinbar nicht, den objektiv idealen Weg. Vielmehr kommt es in dem Konstrukt der Kinderbetreuung auf jede einzelne Strebe an. Das erkennt auch die Wissenschaft.
Wie sich die Fremdbetreuung auf die Entwicklung der Kinder auswirkt, hänge vor allem von drei Größen ab:
- Familie des Kindes
- Qualität der Kita
- Intensität der Fremdbetreuung
Funktioniert dieses Zusammenspiel, profitieren vor allem die, die es sollten: die Kinder.
Gibt es das ideale Kita-Alter?
Diese Frage lässt sich eigentlich nur verneinen. Zu viele Faktoren spielen eine Rolle beim Schritt zur Kita. Ab wann dein Kind etwa bereit ist, sich von dir zu lösen. Wie die Situation zu Hause ist, in der sich ein sozial veranlagtes Einzelkind eventuell einsam fühlt nur mit Mama oder Papa. Ab wann der Kindergarten eurer Wahl wieder einen Platz in seiner Krippen-Gruppe hat. Und bist du als Elternteil überhaupt schon bereit, loszulassen?
„Mein Tipp wäre: Hört in euch hinein. Wie geht es euch mit dem Gedanken, das Kind zu dem und dem Zeitpunkt in die Kita zu geben? Schaut euch euer Kind an. Traut ihr es ihm zu?“ Johanna, 3 Kinder
Den Kita-Einstieg erleichtert ohne Zweifel eine gesicherte Bindung zwischen Eltern und Kind. Der Hafen, der die Kleinen mit emotionaler Sicherheit immer wieder auffängt. Das macht es ihnen einfacher, auch in ihrer Krippe Bindungen einzugehen. Herbert Renz-Polster, Kinderarzt und Autor zur kindlichen Entwicklung, nennt diese Sicherheit den „emotionalen Haftgrund“. Und stellt klar, dass Kinder vom vielfältigen Bildungsangebot vieler Krippen und Kindergärten nur dann profitieren, wenn sie emotional nicht gestresst sind. Ein Stressfaktor kann eine sehr lange tägliche Betreuungszeit sein.
Nun sind Betreuungszeiten in der Kinderkrippe, die beispielsweise von 7 bis 17 Uhr reichen, ein Angebot – und kein Muss. Viele Eltern ziehen es vor, Kinder unter drei Jahren nur zeitweise in die Obhut der Kita zu geben. Man kann es als Lösung betrachten, bei der elterliche Bedürfnisse und soziale Entwicklung des Kindes einen Kompromiss finden.
Ab wann MÖCHTEN Eltern ihr Kind in die Kita geben?
Wer selbst schon vor dieser Entscheidung stand, hat womöglich schnell gemerkt: Es ist ein ständiges Ringen. Um Wollen und Müssen. Um den Druck von außen und den eigenen Zweifel. Um verpasste Chancen und das das Bedürfnis nach beruflicher Weiterentwicklung. Diesen Kampf sollten Eltern aufgeben. Sie können ihn nur verlieren. Es gibt nur den Weg der individuellen Entscheidungen. Und dann den Mut, mit den eigenen Entscheidungen im Reinen zu sein.
„Wir sind in der glücklichen Situation, nicht unbedingt auf eine frühere Betreuung ange-wiesen zu sein. Aber ich finde auch die Frage sehr wichtig, wie glücklich man als Elternteil damit ist, die Betreuung zu Hause selber zu leisten. Ich habe Freundinnen, deren Kinder bereits mit 1 in die Krippe gehen, da sie selber viel entspannter sind, nicht ein 24/7 Mamatier zu sein.“ Johanna, 3 Kinder
Wann MÜSSEN Eltern ihr Kind in die Kita geben?
Nicht immer ist der Wunsch Vater des Gedanken. Manche Familien stehen schlicht vor dem Problem, sich finanziell keine dreijährige Auszeit eines Elternteils leisten zu können. Oder der Arbeitsplatz ginge verloren, würden sie sich eine mehrjährige Auszeit nehmen. Für sie stellt sich schlicht die Frage nicht, ab wann die Krippe sinnvoll ist für das eigene Kind. Sie fragen: Wie schnell können wir mit der Eingewöhnung beginnen?
Dabei stehen wir in Deutschland mit der Elterngeld-Regelung des ersten Lebensjahres europaweit gesehen noch ganz gut dar. In Spanien werden Eltern nur 16 bezahlte Wochen nach einer Geburt zugestanden. Wer grenzübergreifend in Luxemburg arbeitet, der kann unmittelbar nach dem Mutterschutz zwischen einem sechsmonatigen Vollzeit-Elternurlaub oder einer einjährigen Teilzeit-Lösung wählen. Danach fällt die finanzielle Unterstützung weg.
Früh in die Kita – Vor- und Nachteile
Bei der Diskussion, wie sinnvoll ein früher Kita-Start ist, finden sich gute Argumente für beide Seiten. Auch hier schöpfen Eltern individuell Zuspruch, wenn sie für sich und ihr Kind eine Entscheidung treffen. Worin können denn Vorteile liegen, wenn ein Kind schon früh in einer Kindertagesstätte betreut wird?
„Ein Kind lernt mit anderen Kindern umzugehen und sich sozial zu entwickeln. Vor allem bei Erstgeborenen oder Einzelkindern finde ich das wichtig.“ Eva, 1 Kind
„Den Kontakt mit den anderen Kindern erachte ich als allergrößten Vorteil.“ Iris, 1 Kind
“Das Kind lernt und sieht natürlich sehr viel mehr als in den behüteten eigenen 4 Wänden.” Johanna, 3 Kinder
Auf der anderen Seite sprechen auch Argumente gegen einen frühen Start in der Kita. Sei es die Angst, dass die Erzieherin für das einzelne Kind nicht genügend Zeit hat, oder die eigene Überwindung.
Es bleibt eine Sache der Abwägung, für welche Art der Betreuung sich Eltern entscheiden. Ganz spurlos wird keine Lösung an euch vorbeigehen. Doch am Ende blicken viele Eltern auf die Zeit zurück und resümieren, für ihr Kind passend entschieden zu haben.
„Nachteilig an dem frühen Kitabesuch sehe ich, zu lange Betreuungszeiten der Kinder und zu wenig Erholung nach der Kita. Hier ist ein gesundes Mittelmaß gefragt.“
Oliver, 3 Kinder
Nicht selten haben Eltern ein schlechtes Gewissen, ihr Kind zu früh in die Kita gegeben zu haben. Weil ihnen plötzlich klar wird, wie schnell sie wachsen und groß werden. Was im Alltag schlicht an ihnen vorbei gehen könnte, weil ein Teil der frühkindlichen Prägung bei den Erziehern passiert, die aber nicht in jeder Situation – je nach Personalschlüssel – ein Auge auf dein Kind haben können. Der Wunsch von Eltern ist oft größer, ihr Kind deutlich länger selbst prägen zu können, ihnen Werte zu vermitteln, die Kinder von früh auf mitbekommen und am Ende ihr gesamtes Leben lang prägen.
Rahmenbedingungen
Puh,… allein die emotionale und die wirtschaftliche Komponente bringen eigentlich schon genug Aufregung ins Leben junger Eltern. Da bleibt kaum Zeit, sich ums Organisatorische zu kümmern. Doch auch diese Frage will geklärt werden. Wie steht es in Deutschland mit den Rahmenbedingungen? Ab wann KANN ein Kind in die Kita gehen?
Anspruch auf einen Kindergartenplatz haben bundesweit alle Kinder ab 3 Jahren. Dass Kinder schon mit 2 Jahren im Kindergarten starten, ist teilweise ebenfalls möglich. 2013 wurde das Gesetz erweitert um den Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr. Solche Ansprüche helfen allerdings jenen Eltern wenig, in deren Umfeld das Angebot an Krippenplätzen schlicht nicht ausreichend oder unbefriedigend ist. In der Vergangenheit beschäftigten sich schon Gerichte mit diesem Dilemma.
Je nach Einrichtung kann euer Kind mit frühestens 3 Monaten in die Krippe aufgenommen werden. Die Eingewöhnung dauert in der Regel mehrere Wochen und folgt einem bestimmten Konzept. Wer sich für eine gute Krippe entscheiden will, sollte das deshalb frühzeitig tun. Um Wartezeiten zu vermeiden und eine Auswahl zu haben, sollten Eltern, so surreal das klingen mag, schon vor der Geburt mit der Suche beginnen – zumindest, wenn sie sich für einen frühen Krippenstart entschieden haben. Wer in Ballungsgebieten wohnt, hat womöglich das Konzept der Warteliste schon kennengelernt. Es schadet deshalb auch nicht, einen Blick auf alternative Betreuungsmöglichkeiten bei einer Tagesmutter, den Großeltern, einer Familie in der gleichen Situation oder im eigenen Zuhause zu werfen.
Zum Abschluss …
Das letzte Wort bekommen heute Eltern, die die verschiedenen Wege bereits gegangen sind. Wir danken Eva, Johanna, Julia, Anne, Iris, Oliver und Jochen, die uns unsere Fragen sehr ausführlich beantwortet haben. Leider konnten wir nicht all eure Antworten in diesem Text berücksichtigen. Wir sind auch sicher, es gibt noch viele andere Lösungswege, die Eltern für sich entdeckt haben. Umso deutlicher zeigt sich: Jeder muss seinen eigenen Weg finden und ihn vor allem gehen.
Eva, 3 Kinder, verlängerte bei jedem ihrer Kinder die Betreuungszeit zu Hause: „Man muss die richtige Kita auswählen und Vertrauen in die Erzieher haben. Der Kita Besuch unseres ältesten Kindes war mit 20 Monaten genau richtig. Sie hat die Kita und die Erzieher dort geliebt. Es war sehr familiär und klein, was für unser Kind genau richtig war. Das mittlere Kind war nur im normalen Kindergarten ab 2 Jahren. Für das Kind hat das so wunderbar gepasst, es war sehr zufrieden dort. Und beim dritten Kind haben wir noch keine Erfahrungen gesammelt, haben uns aber für einen ganz anderen Kindergarten entschieden, in den es voraussichtlich mit 3 Jahren gehen wird.
Johanna, 3 Kinder, läutete die Kindergartenzeit mit jedem Kind etwas früher ein: „Falls ihr euch unsicher seid: Sprecht mit den Großeltern, euren Freunden und hört euch ihre Einschätzungen und Meinungen an. Und ganz wichtig: Schaut euch die Kitas gut an. Besichtigt so viele, wie nur möglich. Ich weiß, dass man heutzutage nicht unbedingt leicht einen Platz in der Wunschkita bekommt. Aber wenn ihr nicht wirklich überzeugt seid: Hände weg. Dann überlegt euch lieber Alternativen.“
Anne, 1 Kind, vertraute ihren Sohn mit 3 Monaten einer Krippe an: „Die Entscheidung war eine gute, denke ich. Er war nie ein schüchternes Kind und ich habe ihn im Vergleich zu anderen Gleichaltrigen immer als sehr selbstständig empfunden. Er hatte von Beginn an viele soziale Kontakte und kann sich heute überall integrieren. Ich würde heute noch einmal genau so entscheiden.“
Jochen, 2 Kinder, organisierte die Betreuung seiner Söhne bis zum Kindergartenalter zu Hause: „Beim ersten Kind hatten wir nach der Elternzeit das Glück, dass wir die Omas und Opas tageweise einteilen konnten. Meine Frau hat dazu auf 50% reduziert und ganztags gearbeitet, so dass es immer nur zwei bis drei Tage pro Woche waren, für die wir jemanden gebraucht haben. Beim 2. Kind hat meine Frau 3 Jahre im Beruf pausiert. Wir würden es jederzeit wieder so machen, die Kinder selbst zu betreuen, da es die Bindung stärkt.”
Iris, 1 Kind, ließ ihre Tochter mit eineinhalb Jahren in der Krippe betreuen: „Es kommt sehr auf das Kind an. Meine Tochter hat es immer schon sehr genossen, mit anderen Kindern und Erwachsenen zu spielen und hatte selten Berührungs-ängste. Ich kann von Glück reden, dass es so gut gelaufen ist, dass die Erziehe-rinnen und die Kita so toll sind. Aber jedes Kind ist anders und wer weiß, wie es bei einem zweiten wäre!“
Julia, 5 Kinder, würde im Nachhinein wohl (fast) alles wieder genauso machen: “Gerade bei der Großen – ich wurde sehr jung Mama – habe ich mir von der Einrichtung zu viel gefallen lassen und zu spät auf den Tisch gehauen. Der Wechsel in eine andere Kita ließ sie dann richtig aufblühen.
Mein Rat an andere Eltern: Schau dir dein Kind und die Einrichtung genau an. Wie gehen die Betreuungspersonen auf dein Kind zu, wie reagiert dein Kind? Ist es soweit? Wie fühlst du dich dabei? Sind es deine Ängste, die du überträgst oder gibst du den Weg für dein Kind frei?
Wenn du darauf angewiesen bist, bleibt dir wahrscheinlich kaum eine Auswahlmöglichkeit. Wir alle wollen das Beste für unser Kind. Im Endeffekt weißt du erst nach einiger Zeit, ob es passt oder nicht. Und wenn nicht, kannst du die Eingewöhnung noch immer verschieben, vertagen oder komplett aussetzen, bis ihr soweit seid.“
Oliver, 3 Kinder, setzte auf Betreuung in der Kinderkrippe ab dem zweiten Lebensjahr: „Ich würde Eltern einen Kitabesuch für ihr Kind empfehlen; aber immer im Hinblick auf den individuellen Entwicklungsstand. Meistens ist der Mutter- oder Vaterinstinkt ein wichtiger Ratgeber.“
Unser Fazit
Habt kein schlechtes Gewissen – für welchen Weg auch immer ihr euch entscheidet. Es ist wichtig, die eigene Entscheidung akzeptieren zu lernen und nicht ständig zu hinterfragen. Es sei denn, man merkt, dass etwas falsch läuft. Dann solltet ihr keine Scheu davor haben, die Betreuung eurer Kinder noch einmal umzugestalten.
Und wie war das bei euch? Seit wann gehen oder gingen eure Kleinen in eine Kindertagesstätte? Teilt gern eure Erfahrungen mit uns: Ab wann kamen für euch Kindergarten oder Krippe infrage? Was hat eure Entscheidung beeinflusst? Und welche Tipps könnt ihr anderen Eltern mit auf den Weg geben?