Bin ich eine schlechte Mutter? – Wirf den Perfektionismus über Bord!
Mama kann nicht mehr! Das lesen wir dieser Tage immer häufiger. Der andauernde Corona-Stress macht aus vielen selbstbewussten Frauen nach und nach ein kleines Häufchen Elend. Sie fühlen sich als schlechte Mutter, während sie versuchen, den Laden zwischen Arbeit, Homeschooling und Kinderbetreuung am Laufen zu halten. Dazu die seelische Belastung, auf viele liebgewonnene Vergnügungen verzichten zu müssen. Nicht alle fühlen sich so … aber zu viele.
Selbst ohne Corona neigen Mütter dazu, perfekt sein zu wollen. Sie machen Pläne, wollen alles unter einen Hut bringen, dazu noch die Kinder zu guten Menschen erziehen und allen Erwartungen an sich selbst entsprechen. Erwartungen, die ihnen zum Teil die Gesellschaft aufzuerlegen scheint. Sie sollen arbeiten, für die Kinder da sein, sich dazu noch selbst nicht vernachlässigen und ihr Rolle als Partnerin erfüllen. Dass es aber die “Eierlegendewollmilchsau” nicht gibt, hat man schon in ganz anderen Situationen festgestellt. Jetzt muss es nur noch den Mamis klar werden. Den Papis natürlich auch.
Wundert euch bitte nicht, dass wir hier nur über Mütter schreiben. Aber unsere Gesellschaft scheint noch nicht bereit, sich von der Rollenverteilung in Familien ganz zu verabschieden. Das hat uns Corona unter anderem deutlich gezeigt.
“Ich bin eine schlechte Mutter!”
Die eigenen Vorstellungen rühren ja nicht nur vom allgemeinen Bild der Mütter in unserer Gesellschaft. Schon das familiäre Umfeld kann suggerieren, wie die perfekte Mama auszusehen hat. Und dass sie keinen Grund hat, sich zu beschweren. Wenn die eigene Mutter beispielsweise darauf hinweist, dass sie es früher viel schwerer hatte und an den Aufgaben als Mutter noch niemand gestorben sei … darf man dann überhaupt im entferntesten daran denken, unzufrieden zu sein? Man bekommt wohl eher das Gefühl, gänzlich zu versagen.
Wenn die perfekte Mama es nicht schafft, nach der Arbeit rechtzeitig das Kind aus der Kita abzuholen und dann noch schnell das Haus aufzuräumen bevor der abendliche Besuch kommt, bebt es bereits in ihrer Brust. Dann jetzt sofort und ohne Warten ein gemaltes Bild von der Fünfjährigen anzuschauen, während der Einjährige gerade den Küchenschrank ausräumt und man eigentlich ein Auge auf die kochenden Nudeln haben müsste – wer einmal von außen auf diese Situation schaut, begreift schnell: Da kann ja eigentlich nur irgendetwas schief gehen.
Du hast nur das Gefühl, eine schlechte Mutter zu sein
Was Mütter als schlecht empfinden, ist sehr subjektiv. Orientiert am perfekten Rollenbild, das zu erfüllen nahezu unmöglich ist. Es ist ein gesellschaftlich konstruiertes Wunschbild. Und nicht mal in der Theorie super. Der Psychologe Dr. Max Pemberton betont sogar, dass es für Kinder viel besser ist, mit unperfekten Eltern aufzuwachsen. Und Eltern animiert er, das endlich einzusehen.
Es gibt keinen Performance-Test, Bonus oder Feedback – nur ein Kleinkind, das Toast nach dir schmeißt.
Dr. Max Pemberton im Interview mit der Daily Mail
Vielleicht trifft das, was man über Kinder sagt, auch auf die Eltern zu: Du kannst es ihnen noch so oft erklären – sie müssen ihre eigenen Erfahrungen machen. So wie Nathalie Klüver, Dreifachmama und Journalistin. Nach Jahren der Versuche, ihrem eigenen perfekten Bild vom Mamasein zu entsprechen, fasst sie es so schön in dieser Selbsterkenntnis zusammen: “Wir müssen nicht perfekt sein. Gut genug reicht – und was gut genug ist, bestimmen wir selbst.” Wer alles gleichzeitig zu schaffen versucht und versagt, leidet am Ende. Vielleicht sogar im Verborgenen und abseits der scheinbar perfekt organisierten Instagram-tauglichen Familie. Mit schlechtem Gewissen, Ängsten und Erschöpfung.
Perfektion und ihre gemeinen Freunde
Wenn man sich als schlechte Mutter fühlt, weil man an den eigenen oder fremdbestimmten Erwartungen scheitert, öffnet man das Tor für die gemeinen Begleiterscheinungen des scheinbar perfekten Lebens: überdimensionaler Verzicht (mehr als es Eltern sowieso schon tun), Stress, Antriebslosigkeit, Unkonzentriertheit, Überforderung. Stolpersteine gibt es reichlich.
Und in vielen Lebenslagen übersehen wir leider viel zu häufig den gemeinen großen Bruder des Perfektionismus: BURNOUT. Ja, das gibt es nicht nur in der Arbeitswelt. Mütter vor oder im Burnout sind keine Seltenheit mehr. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) findet in zahlreichen Studien und Umfragen Hinweise darauf, dass sich das mentale Wohlbefinden von 30 Prozent der Mütter in den ersten sieben Jahren ihres Mutterdaseins signifikant verschlechtert. Muttersein auf Kosten deiner mentalen Gesundheit? Das darf doch nicht sein!
Ein weiterer Grund für Mütter, ihre Erwartungen an sich selbst runter zu schrauben, ist schnell gefunden: Euer Stress bedeutet auch Stress für eure Kinder. Gestresste Mütter brauchen hin und wieder ein Ventil, um Dampf abzulassen. Und wie oft bekommen eure Kinder diesen Dampf ab? Wie oft reagiert ihr unangemessen, schreit eure Kinder eigentlich grundlos an, weil ihr wegen etwas völlig anderem mit den Nerven am Ende seid? Lasst sie ein bisschen hervor blitzen, die nicht perfekte Mutter!
Du bist keine schlechte Mutter!
Auch wenn es uns vorgegaukelt wird: Auf allen Hochzeiten gleichzeitig kann niemand tanzen. Und mag er es noch so sehr wollen. Du bist keine perfekte Mutter? Doch! Wenn du vorher festlegst, was für dich perfekt ist. Das Zauberwort heißt Priorisierung.
Du selbst darfst definieren, welche Erwartungen du erfüllen möchtest. Du selbst darfst scheitern, ohne dich dabei schlecht zu fühlen. Denn hey, es gibt Tage, da wird es viel viel besser laufen. Triff Entscheidungen zu dem, was dir wichtig ist … und sei glücklich mit diesen Entscheidungen. Auch wenn Außenstehende sie kritisch beäugen würden. Deine Kinder nehmen vor allem eines mit auf ihrem Weg ins Erwachsenendasein: Mama war für mich da. Egal wie perfekt.
Kleiner Spiegel für alle: Das Unwohlsein der modernen Mutter von Mareice Kaiser
Ganz aktuell wühlt ein Buch zu genau diesem Thema auf. Im April 2021 erschien Das Unwohlsein der modernen Mutter im Rowohlt Verlag. Die Journalistin Mareice Kaiser beleuchtet darin alle Facetten des Mutterseins in spartanisch titulierten Kapiteln, die “Die Mutter”, “Die Arbeit” oder “Das Geld” heißen. Sie schreibt über ihr eigenes Leben und die Erfahrungen, inwiefern unsere gesellschaftlichen Strukturen Eltern am Elternsein hindern. Sie schreibt über die Gleichzeitigkeit von allem im Leben einer Mutter, in der kein Platz zu sein scheint für Freiheit und Selbstbestimmung. Kein Wunder also, dass Mama sich unwohl fühlt.
Auch wenn das Buch für manche an Fakten, Zahlen oder Überlegungen nichts Neues enthalten mag, zeigt sein Erfolg doch wieder eins: Es ist wichtig, immer und immer wieder darüber zu sprechen, zu schreiben, zu debattieren.
Raus aus dem Stress, du gute Mama!
Deshalb wollten auch wir an dieser Stelle zu einem kleinen Denkanstoß einladen. Vor allem die Mütter haben in der Corona-Krise wahrlich allen Grund, ihre Rolle zu hinterfragen. Suchst du noch einen Fahrschein raus aus dem Stress, den du dir selbst (bewusst oder unbewusst) auferlegst? Lass dich von ein paar Tipps inspirieren:
- Gönne dir Erholungspausen – zur Not mit festem Termin im Familienkalender, so dass es alle sehen können: Hier hat Mama zwei Stunden frei. Wie wäre es mit einer Netflix-Serie?
- Schaffe dir in deiner Wohnung einen Rückzugsort nur für dich
- Akzeptiere deinen Wunsch nach Veränderung
- Sag auch mal “nein”
- Lass Humor in dein Leben (und wenn es nur einmal wöchentlich die heute-show ist 😉
- Sauge Gelegenheiten wie den Muttertag und die Zuneigung deiner Lieben in dich auf.
- Hol dir Hilfe – egal welcher Art
Was immer hilft: Sich mit Gleichgesinnten austauschen. Sicher findest du in deinem Freundeskreis Menschen, die sich gerade ganz genau so fühlen wie du. Mütter und natürlich auch Väter, die sich eingestehen: So will ich nicht weitermachen. Und wenn euch das Zeil zwar klar ist, der Weg aus dem Stress jedoch unheimlich schwerfällt, dann helfen die Profis. STRESS LASS NACH! Damit du Gedanken wie “Ich fühle mich als schlechte Mutter” endlich beiseite schieben kannst.
Du willst mehr erfahren und wünschst dir Unterstützung beim Stressabbau? Dann schick uns doch eine E-Mail. Wir haben immer einen zauberflockigen Tipp parat!
Ich musste weinen, als ich eure Zeilen las.
Meine 15jährige Tochter ist aktuell in einer Tagesklinik. Sie hat eine mittelgradige Depression.
Meine Schuldgefühle sind immens, denke immer wieder darüber nach, was ich falsch gemacht habe und dass ich keine gute Mutter war.
Ich freue mich auf die Zeit, wenn alles wieder besser wird und ich meine Bauchschmerzen loswerden…
Herzliche Grüße, Manuela